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Künstlerin Katharina Fast
Sängerin, Entertainerin, Kabarettistin
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Literatur hochdeutsch


Interview mit der Liedermacherin und Autorin Katharina Fast

    In der  Zeitschrift: "Deutsche aus Russland"


Lassen Sie sich in meine Welt der Phantasie und Träume entführen:

 
Leseprobe / Beispiel 1 

Der letzte Ritter der Tugend

 

Mein Mann erstarrte mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen, als ich ihm eines Abends offenbarte, dass ich mir überlegt habe, wenn es mit meinem Rücken nicht besser wird, und ich auf einmal nicht mehr arbeiten kann, mein Geld mit Telefonsex zu verdienen? „Bist du von allen guten Geistern verlassen worden, Weib? Nur über meine Leiche“, - brüllte er, als ich ihn mit ein paar kräftigen Schlägen aus der Erstarrung ins Leben zurückholte. - „Ich verkaufe ja nicht meinen Körper, sondern nur meine Stimme.“ – erwiderte ich gelassen und schaute in mit großen unschuldigen Augen an.

 „So was ziemt sich nicht, was werden die Leute sagen?“- brüllte er mich wieder an. An dieser Stelle möchte ich sagen, dass unsere sibirischen Männer bekannte Sturköpfe sind, sie rennen gerne mal  gegen die Wand, wenn sie auch wissen, dass es keinen Sinn hat. Aber das macht es für sie wohl noch interessanter, auf einmal gelingt es  und sie kommen durch! Mein Mann ist da keine Ausnahme, er ist eher noch dickköpfiger als die Anderen!
 Ich musste lachen: „Es braucht ja keiner zu wissen, du brauchst es ja nicht jedem auf die Nase zu binden. Du sagst einfach deine Frau ist Telefonistin, und viele sagen, dass ich eine sehr angenehme Stimme habe, das kann ich doch nutzen? Oder!“ „Hast du dir mal Gedanken darüber gemacht, wie wir über die Runden kommen sollen, wenn es mit meinem Rücken nicht besser wird?“wenn sie auch wissen, dass es keinen Sinn hat. Aber das macht es für sie wohl noch interessanter, auf einmal gelingt es  und sie kommen durch! Mein Mann ist da keine Ausnahme, er ist eher noch dickköpfiger als die Anderen!
 Ich musste lachen: „Es braucht ja keiner zu wissen, du brauchst es ja nicht jedem auf die Nase zu binden. Du sagst einfach deine Frau ist Telefonistin, und viele sagen, dass ich eine sehr angenehme Stimme habe, das kann ich doch nutzen? Oder!“ „Hast du dir mal Gedanken darüber gemacht, wie wir über die Runden kommen sollen, wenn es mit meinem Rücken nicht besser wird?“
 

Überleg mal wie praktisch es ist: Ich kann den ganzen Tag zu Hause sein, kochen, backen, waschen und nebenbei mit Telefonsex mein Geld verdienen. Schließlich ist Telefonsex die einzige Arbeit, die ich auch im Liegen erledigen kann, ganz geschweige davon, dass ich die Kunden in drei Sprachen bedienen kann: russisch, deutsch und plattdeutsch! Endlich werden sich meine Sprachkenntnisse bezahlbar machen.“ - Sagte ich und lächelte ihn mit meinem bezauberndsten Lächeln an.

„Was meinst du wie viele Bescheuerte für Sex am Telefon bezahlen werden? Es gibt bestimmt nicht viele solcher Idioten!“- brüllte er erneut.

„Wenn du bloß wüsstest“,- lachte ich wieder. – „Stell dir mal vor, nebenbei beim Backen oder Kochen bediene ich einen Kunde: - Wie ich aussehe? 

Wunderschön: himmelblaue große Augen, langes blondes Haar… Ach du stehst auf schwarzes Haar? Ok, langes schwarzes Haar, volle rote Lippen…Meine Brüste?“ Ich streichelte langsam meine Brüste und schaute meinen Mann kokett an. „Die sind rund und fest wie zwei große Äpfel. Meine Taille? Die ist wespendünn, der Popo knackig, die Beine lang, und…wie bitte? Du bist gleich soweit, o, ja, ja, ja..“ stöhnte ich und kicherte.

Mein Mann brach kein Wort mehr raus, seine Frau sich als Sexobjekt für andre Männer vorzustellen, ging über seine Kräfte, er schüttelte den Kopf, schnappte nach Luft und stürmte raus.

Ich konnte mir zu gut vorstellen, was im Kopf meines Mannes, den meine Tochter heimlich als den „letzten Ritter der Tugend“ getauft hatte, vorging. Nach der strenger Doppelmoral unserer sibirischen Dörfer spricht man nicht über Sex, man tut „es“. Immer und überall, wenn sich dazu Gelegenheit ergibt! Und zerreißt sich nachher die Mäuler über die Frauen, die „es“ getan haben und auch noch so dumm sind und schwanger werden. Sie vergessen dabei völlig, dass zum „Kindermachen“ zwei Personen gehören. Nein, nur die Frau ist die „Sünderin“, die „Gefallene“. Und nach fünfundzwanzigjähriger Ehe war ich jetzt so eine „Halbgefallene“ in den Augen meines Mannes. Einerseits konnte er nicht verstehen, wie ich an „so was“ denken kann? Anderseits reizte ihn die Vorstellung, seine Frau ist eine Sexgöttin, wenn auch nur im Stimmbereich, sehr. Ich war überzeugt, dass mein Moralapostel nicht abgeneigt war sich hin und wieder mal heimlich die nackten Schönheiten im Playboy anzuschauen, oder auch nachts einen so genannten „Erotikfilm“ reinzuziehen. Aber mir, ihm von Gott anvertrauter Gemahlin hätte er „so etwas“ nie zugetraut.

„Du hast doch nicht wirklich vor dir „damit“ (Telefonsex im Zusammenhang mit seiner Ehefrau kam ihn einfach nicht über die Lippen) deine Brötchen zu verdienen?“- fragte mein „einsamer Ritter der Tugend“ mit künstlichem Lächeln am nächsten Morgen, als er mich zur Arbeit fuhr. „Du meintest es doch nicht ernst, oder?“, und versuchte aus letzter Kraft die Fahne der Tugend zu hissen.

„Doch“, sagte ich kühn, „bevor ich von Hartz 4 abhängig bin, verdiene ich mir mein Geld lieber mit Telefonsex!“ Die Fahne sank und flatterte traurig im Wind. Sie hätten sein Gesicht sehen sollen. Mit verdutzter, die Welt nicht mehr verstehender Miene fuhr mein Mann zur Arbeit. Ich hatte den ganzen Tag gute Laune!

Immer, wenn mein Mann glaubt, an mir gibt´s nichts mehr neues zu entdecken, gebe ich Ihm ein neues Rätsel auf und er kann sich ein für allemal den überheblichen Gedanken: Er kenne seine Frau nach so vielen Jahren Ehe hundertprozentig, aus dem Kopf schlagen. Jetzt kann er sich wieder mal über das „rätselhafte Wesen der Frauen“ den Kopf zerbrechen! Der Tag begann herrlich! 

Leseprobe / Beispiel 2 

                                 Eine zauberhafte Winterromanze 

Skizze meiner Freundin und Künstlerin Elena Wiebe

 „Heute schneit es den ganzen Tag. Die Schneeflocken fallen ganz leise, genauso wie damals. Erinnerst du dich noch daran, Liebster? Damals war auch die ganze Welt um uns herum mit weißem Schnee bedeckt. Es war der Schnee unserer Hoffnung. Er lag vor unseren Füßen rein und weiß, wie ein leeres Blatt Papier und ich hoffte, dass wir darauf die Geschichte unserer Liebe schreiben würden.“ – hauchte Elena mit leiser Stimme in den Saal.

 

Und sofort war es wieder da, dieses Gefühl, dass er sie hören konnte, dass er sie sehen konnte, dass er da war. Dieses Gefühl begleitete sie seit gestern Abend, als sie nach der Arbeit, anstatt den Bus zu nehmen, spontan beschloss zu Fuß nach Hause zu gehen.

 

„Wer weiß, wann es wieder vor Silvester schneien wird?“ – dachte sie, während sie sich plötzlich wie ein junges Mädchen fühlte und den Weg durch den Park einschlug. Die unzähligen großen Schneeflocken verwandelten die Welt um Elena herum in ein weißes Märchenland. Sie tanzten im Licht des Mondes und der Laternen grazil ihren letzten Schwanentanz und fielen leise auf die kahlen Äste der Birken, auf das dunkle Grün der Tannenbäume und schließlich auf die gefrorene Erde, die – so kam es Elena vor - vom Licht der  soeben gefallenen Engel leuchtete. Die fröhlichsten der Schneeflocken kitzelten schelmisch ihre Nase, bevor sie auftauten und als kleine Wasserperlen auf ihren Lippen landeten, um diese angenehm anzufeuchten.

 

Der Schnee glitzerte und knirschte lustig unter ihren Stiefeln, genauso wie damals, vor einer Ewigkeit, in Sibirien...an dem einzigen gemeinsamen Abend, an dem sie schweigend durch die Straßen ihres zugeschneiten Dörfchens gingen. Wieso tauchten diese längst vergessenen Bilder wieder in ihrem Bewusstsein auf, wieso dachte sie auf einmal an Andreas, den sie längst glaubte  vergessen zu haben? Elena wurde schlagartig bewusst, dass er in diesem Moment auch an sie dachte, sie spürte förmlich seine Anwesenheit – er war hier, hier bei ihr! Sie lachte glücklich, als eine kleine Schneeflocke ganz zart ihre Lippen berührte – es war ein Kuss von ihm - so zart hatte nur er sie geküsst.

 

Von weitem hörte sie eine leise Melodie erklingen und wie von selbst formten sich die Worte zu dieser zauberhaften Musik. Sie sang das Lied leise vor sich hin, immer und immer wieder, obwohl sie die leicht verwunderten Blicke der Passanten wahrnahm. Sollten diese doch ruhig denken, dass sie verrückt sei. Als sie zu Hause ankam, setzte sie sich gleich ans Klavier und übte das Lied ein. Sie beschloss, solange es draußen noch so schön winterlich aussah, das Lied gleich am nächsten Abend auf dem Silversterkonzert zu singen.

 

Elena schaute in den Saal, spürte diese gewisse Magie zwischen ihr und dem Publikum, die immer dann entstand, wenn  sie die Leute von der Echtheit ihrer Gefühle überzeugen konnte. Mit glockenhaft heller Stimme begann sie zu singen.

  www.youtube.com/user/Isegril (Das Lied "Schneefall" zum Anhören) 

„So einen starken Schneefall,

so einen starken Schneefall,

den haben wir hier nicht so oft gehabt.

Die Flocken fallen leise,

sie fallen sanft und leise,

die Welt ist wie ein Märchen

ganz weiß und wunderbar.

 

            Flocken fliegen, sie tanzen und schweben

            und die Welt ist traumhaft schön,

            wir Zwei tanzen den Walzer beim Mondschein

            flöckchenleicht im Sternenschnee!“

 

Sie sang und in Gedanken war sie weit, weit weg von hier, in ihrem verschneiten Heimatdörfchen, an einem kalten Januarabend, an dem die Russen das „alte Neue Jahr“ feiern. Da es zu der Zeit in ihrem Dorf nur zwei Fernseher gab, waren sie, eine Gruppe Jugendlicher, bei einer jungen Familie eingeladen gewesen, um sich die allseits beliebte Fernsehsendung „Lieder des Jahres“ anzuschauen.

 

Die Sendung endete erst spät, weit nach Mitternacht. Beim nach Hause gehen waren Elena und Andreas irgendwie alleine geblieben. Sie gingen schweigend durch die schlafenden Straßen. Der Schnee fiel vom Himmel in solchen Mengen, dass Elena an die Kissen ausschüttelnde Frau Holle denken musste. Im Nu waren ihre Pelzmützen und Mäntel mit weißem Schnee bedeckt. Die Schneeflocken klebten an Elenas langen, schwarzen Wimpern, kitzelten ihre Nase und Lippen. Sie wusste nicht, ob es Zufall war, dass sie zu zweit geblieben waren, oder ob es Andreas Absicht gewesen war. So schüchtern und unerfahren sie damals auch war, glaubte sie doch gemerkt zu haben, dass sie ihm nicht gleichgültig war, und wenn sie ehrlich sein sollte – träumte sie im Stillen auch von ihm. Doch warum war er immer so zurückhaltend? Sie konnte doch nicht den ersten Schritt machen? Er fragte etwas belangloses, sie antwortete etwas belangloses, dann herrschte wieder unangenehmes Schweigen.

 

Als sie an ihrem Haus ankamen, verabschiedete sie sich hastig und machte einem Schritt in Richtung ihrer Haustür.  In diesem Moment griff er nach ihrer Hand und hielt sie zurück. Er nahm ihre Hände in die Seinen, zog sanft ihre schneenassen Handschuhe runter und wärmte ihre kalten Hände in seinen, dann küsste er zart jeden ihrer Finger und hauchte sie mit seinem heißen Atem warm. Elena stand wie gelähmt da, unfähig etwas zu sagen oder sich zu rühren. Andreas berührte mit seinen heißen Lippen sanft ihre Augen, ihre kalte Nase, ihre Wangen und schließlich ihre von Schneeflocken nassen, halbgeöffneten, bebenden Lippen, so als ob er die Schneeflocken von ihrem Gesicht mit seinen Lippen aufsammeln würde. Seine Küsse waren so leicht, dass es Elena vorkam, als ob ein Schmetterling ihre nasse Haut mit seinen zarten Flügeln berühren würde. Ihr Herz raste, das Blut in ihren Schläfen pulsierte wild, die erste Erstarrung löste sich in eine Verwirrung auf. „So also fühlte es sich an, wenn man verliebt ist? So fühlt es sich an, wenn dich ein geliebter Mann küsst? Wieso sagt er dann nicht, dass er mich liebt? Spielt er nur mit mir, oder meint er es ernst?“ Sie befreite sich sanft aus seiner Umarmung und lief ins Haus hinein.

„Wieso war sie damals nur so dumm und naiv gewesen, warum hatte sie ihr Glück nicht erkannt? Wieso hatte sie es nicht mit beiden Händen fest  gehalten? Wieso, wieso, wieso?“     

 

Sie schaute in den Saal und…plötzlich raste ihr Herzschlag, pochte, wie die Flügel eines Schmetterlings, gefangen in einem zu kleinen Glas.

 

„Und genauso wie damals, liegt heute der reine, weiße Schnee, wie ein leeres Blatt Papier zu meinen Füßen und ich wünsche mir, dass wir genau so wie damals durch die Straßen unserer Stadt gehen und dieser Schnee nicht zum Schnee unserer Trennung wird.“ – Hauchte sie mit bebender Stimme die Schlusswörter des Liedes.

 

Als das Konzert zu Ende war, ging Elena nicht wie gewöhnlich in den Saal, um sich mit den Zuschauern zu unterhalten, sondern in den Umkleideraum und fing an sich hastig umzuziehen und ihre Sachen zu packen, doch alles fiel ihr aus den Händen und sie setzte sich schließlich kraftlos hin. Sie hörte den Trubel um sich herum nicht, sondern sah vor sich nur Andreas dunkle Augen, die, so schien es ihr, sie überall verfolgten. Hatte sie es sich nur eingebildet, oder hatte sie tatsächlich Andreas im Saal sitzen gesehen? Nein, das konnte nicht wahr sein, wieso sollte er denn hier sein? Er wohnt doch hunderte Kilometer entfernt? Woher wusste er wo sie heute Abend zu finden sein würde?

 

Sie dachte an den warmen Maiabend zurück, den letzten Abend vor ihrer Hochzeit. Valeri und sie machten nach dem Abendessen noch einen Spaziergang über die Wiesen, durch den blühenden Obstgarten und das kleine lichte Birkenwäldchen. Die weißen Stämme der Birken schimmerten silbern im Mondschein und die ersten frischen, klebrigen Birkenblätter verströmten einen ganz besonderen Frühlingsduft.

- Müsste mir in dieser Minute nicht von diesem betörenden Duft schwindlich sein? Müsste ich jetzt nicht vor Glück den Kopf verlieren, singen, tanzen, lachen? – durchfuhr Elena ein Gedanke. Doch anstatt restlos glücklich zu sein, wurde sie ein Gefühl des Unbehagens nicht los. Sie gingen durch das Dörfchen zurück. Als sie am Haus ankamen, trat aus dem Schatten der großen Pappel eine leicht schwankende Gestalt hervor. Es war Andreas.

 – „Elena, kann ich dich sprechen? Ich muss dir soviel erzählen…“ – fragte er.

– „Nein, “  - meinte Valeri grob – „du bist betrunken, geh nach Hause und schlaf dich aus.“

– „Warte Valeri, wieso antwortest du für mich? Was wolltest du mir erzählen, Andreas?“

– „Bist du glücklich? Glaubst du, er liebt dich so sehr, wie ich dich liebe?“

- „Du liebst mich? Wieso hast du es mir denn nicht früher gesagt?“

- „Hast du es denn nicht gemerkt?“ – stammelte er, - „Ich wollte es dir hundertmal sagen, doch sobald ich dich sah, konnte ich kein Wort mehr rausbringen. Du wusstest doch, dass ich in der Armee eine große Dosis atomarer Strahlung abgekriegt habe, ich dachte wozu brauchst du einen kranken Mann und wollte erstmal ganz gesund werden. “

- „Das hätte mich doch nicht gestört, Andreas“ – sagte sie sanft.

- „Wieso liefst du denn damals - weißt du noch, als es schneite - so schnell weg? Ich wollte es dir sagen…und die Liebeserklärung auf der Tafel in der Schule „Elena, ich liebe dich“, die war auch von mir und die Geschichte mit den Osterneiern, die wir zusammen suchten und nur rote fanden, weil es Liebe bedeutet, die habe ich auch erfunden und deinen Freundinnen erzählt, damit du merken solltest,  wie sehr ich dich liebe! Ich habe dich seit dem Augenblick geliebt, als ich dich das erste Mal nach dem Abschluss meines Wehrdienstes sah. Erinnerst du dich noch daran, wie  wir bei uns meine Rückkehr feierten und meine Mutter dir die Gitarre gab und dich bat zu singen. Ich weiß sogar noch was du sangst. Das Aschenputtellied. Und seit diesem Moment, war es um mich geschehen…“

- „Hör sofort auf!“ – knurrte Valeri, - „Sonst kriegst du eins auf die Nase!“

- „Wenn du das tust, kannst du gleich für immer gehen.“ – sagte Elena ganz leise, aber resolut und befreite sich aus seiner Umarmung.

- „Aljonuschka,“ – so nannte nur Andreas sie, - „glaub mir, du wirst mit ihm nicht glücklich werden, er ist nicht dein Mann, er kennt dich nicht so, wie ich, er weiß dich nicht zu schätzen…“

- „Es ist zu spät, Andreas, zu spät, du hättest mir dies alles früher sagen sollen…“ – sie wusste nicht, ob sie das Richtige tat, aber alles war für die Hochzeit in die Wege geleitet und sie konnte nicht mehr zurück, so war es nun mal im Dorf – es würde keiner verstehen, wenn sie jetzt die Hochzeit absagte, vor allem nicht ihre Eltern, die ohnehin schon so viel durchgemacht hatten in ihrem Leben.

Andreas kam näher, nahm ihre Hand in die seine und hauchte einen kaum spürbaren Kuss auf diese.

- „Aljonuschka, Liebste, ich werde dich immer lieben, ruf mich, wenn du mich brauchst und ich werde kommen, egal wo ich bin.“

 

Kurz darauf heirateten Valeri und Elena und zogen fort. Sie bekamen drei Kinder: zwei Töchterchen und ein Söhnchen. Sie waren ihr Glück, ihr Leben, ihr ein und alles. Doch Andreas hatte Recht behalten, sie war mit Valeri nicht glücklich geworden. Als ihre erste Verliebtheit vorbei war, wurde ihr schnell klar, dass Valeri ein egoistischer, ungehaltener, eifersüchtiger und jähzorniger Choleriker war. Sie hatte gelernt damit zu leben, doch von Liebe war keine Rede mehr. Jetzt waren die Kinder erwachsen und außer Haus und sie spürte noch mehr als früher ihre Einsamkeit. Es war kalt in ihrer Ehe, sie lebten nicht miteinander, sondern nebeneinander her und Elena blieb bei Valeri nur noch aus Pflichtgefühl.

 

 Andreas, so hatte sie von seiner Schwester, mit der sie schon als Kind zusammen gespielt hatten und immer noch befreundet war, zuhören bekommen, blieb lange allein. Doch irgendwann hatte auch er geheiratet, doch angeblich nicht, weil er seine Frau liebte, sondern weil sie ihn so sehr liebte, dass es für zwei reichte. Sie führten eine gute Ehe, sagte ihr Andreas  Schwester.

 

Elena hatte Andreas nur einmal kurz gesehen und da lebte sie schon in Deutschland. Es war auf dem Dorftreffen der ehemaligen Bewohner aus Russland gewesen. Nach dem offiziellen Teil, schaute sie sich die Fotocollage an, als plötzlich Andreas hinter ihr stand und ihr ins Ohr flüsterte:

- „Hallo, Aljonuschka, wie geht es dir?“ Sie drehte sich um und sah in seine tiefen, dunklen Augen, die, so schien es ihr, wie ein unruhig flackerndes Feuer brannten. Als er ihr zur Begrüßung die Hand reichte, merkte sie dass seine Hand  zitterte und er selbst,  angespannt wie eine Gitarrensaite war.

 - „Danke, gut“ – sagte sie – „und dir?“ – „Jetzt, wo ich dich sehe, geht es mir wunderbar, du hast wie immer wunderschön gesungen…ich liebe es, wenn du singst…“ – fügte er noch zögernd hinzu. Und plötzlich, wie aus dem Nichts stand Valeri neben ihnen. Elena wunderte sich immer wieder mit welch uraltem Instinkt er spürte, wenn sich jemand für seinen Besitz, sein Weibchen interessierte und gleich zur Stelle war, um dieses zu verteidigen. Sie wunderte sich umso mehr, da er sich die ganze Zeit draußen mit anderen Männern aus dem Dorf unterhalten hatte. Andreas verabschiedete sich hastig und sie sah ihn an diesen Tag nicht wieder, da er gleich nach Hause gefahren war.

 

Das war vor zwei Jahren. Und jetzt war er auf einmal da, ohne dass sie ihm geschrieben oder ihn angerufen hätte.

 

Die Kollegen verabschiedeten sich einer nach dem anderen von Elena und fragten sie, ob sie zur Feier mitkäme, sie schüttelte nur verneinend mit dem Kopf und blieb sitzen. Als alle gegangen waren, öffnete sich leise die Tür, sie schaute hoch und sah Andreas mit einem riesigen Strauß aus Wiesenblumen im Türrahmen stehen. Ihr Herz setzte aus, dann fing es doppelt so schnell an zu schlagen.

 

Woher hatte er  mitten im Winter Wiesenblumen herbekommen und woher wusste er, dass sie diese jeder noch so edlen Rose vorzog?

 

- „Du hast mich gerufen, und hier bin ich“ – sagte er mit bubenhaftem Lächeln, als er ihr den Blumenstrauß überreichte. Oh Gott, wie sie dieses Lächeln liebte, wie sehr sie es vermisst hatte! Sie versenkte ihr Gesicht im bunten Strauß und ein bekannter Gräserduft umhüllte sie. Sie fühlte sich wie ein kleines Mädchen, das auf der Wiese hinter ihrem Haus in der heißen Mittagssonne liegt und den Tanz der bunten Schmetterlinge beobachtet. Sie lachte glücklich und schaute Andreas strahlend an. Er tauchte sein Gesicht ebenfalls in die Blumen und fand ihre heißen, trockenen Lippen, die nach Kamille, Mohnblumen und Feilchen schmeckten. Ein Feuer zog durch ihre ausgehungerten Körper. Vom Liebesrausch betrunken standen sie engumschlungen da und vergaßen die Welt um sich herum. Die Zeit stand still.

 

Der Hausmeister überraschte die Liebenden beim allabendlichen Rundgang vor dem Abschließen des Hauses. Elena errötete, wie ein junges Mädchen und versenkte ihr glühendes Gesicht an Andreas Brust.

 

Kichernd, Hand in Hand, wie kleine Kinder, liefen Elena und Andreas in den winterlichen Abend hinaus und blieben wie angewurzelt stehen. Große, weiße Flocken fielen auf die Bäume, die Häuser, glitzerten in der weihnachtlichen Beleuchtung der Girlanden und landeten lautlos auf dem weißen Boden.

 

Andreas nahm behutsam ihr Gesicht in seine Hände, sammelte genauso wie damals mit seinen heißen Lippen die kalten Schneeflöckchen von Elenas Augen, Wangen und Lippen. Sie schlug ihre Arme um seinen Hals,  die Blumen fielen zu ihren Füssen. Die zerbrechlichen Blüten bildeten auf dem glitzernden weißen Schnee einen wunderschönen, in allen Farben leuchtenden Teppich. Der weiße Schnee bedeckte wie mit Puderzucker die roten Mohnblumen, die blauen Feilchen und die zarten weißgelben Kamillen. Andreas  sammelte, die mit Schneeflocken, bedeckten Blumen auf, überreichte sie Elena erneut und flüsterte leise: - „Wie lange war der Weg zu dir, Aljonuschka…ich lasse nicht mehr zu, dass dieser Schnee zum Schnee unserer Trennung wird. Dieser Schnee soll der Schnee unserer Hoffnung sein, auf dem wir die Geschichte unserer Liebe schreiben werden.“

 

„Wie erkläre ich das Valeri?“ – fragte sie sich, nur um so gleich diesen Gedanken zu verwerfen. „Lass mich darüber morgen nachdenken. Dein ganzes Leben lang hast du mit dem Verstand entschieden und bist du glücklich geworden? Lass wenigsten einmal zu, dass dein Herz die Entscheidung trifft.“

 

Sie seufzte glücklich und legte ihren Kopf auf seine Schulter. Eng umschlungen gingen sie durch die verschneiten Straßen der Stadt…